Manchmal denken wir, die Evolution gehöre der Vergangenheit an, aber sie geht auch heute noch weiter, vor allem, weil der Druck der Umwelt Menschen und Tiere dazu zwingt, sich anzupassen, um zu überleben. Hier ein paar Beispiele für Tiere, die sich in Echtzeit entwickeln.
1. Die Eidechse mit extra klebrigen Füßen
Die einheimischen grünen Eidechsen, die die unteren Äste und Stämme der Bäume Floridas bewohnen, erlebten ein böses Erwachen, als ihre invasiven Cousins, die braunen Eidechsen, einzogen. Angesichts der begrenzten Ressourcen und der doppelten Konkurrenz machten die grünen Eidechsen einen Schritt: Sie verließen die unteren Äste und zogen in die Baumkronen. Dort oben sind die Äste dünner und glatter, so dass sich die Körper der Smaragdeidechsen an die veränderte Umgebung anpassen mussten. Um sich besser an den glatten Ästen festhalten zu können, wurden ihre Zehenpolster größer und ihre Schuppen klebriger – in nur 15 Jahren und etwa 20 Generationen. „Das Ausmaß und die Schnelligkeit, mit der sie sich entwickelt haben, waren überraschend“, sagt Yoel Stuart, Postdoktorand am College of Natural Sciences der University of Texas in Austin und Hauptautor der Studie. „Wenn sich die menschliche Körpergröße so schnell entwickeln würde wie die Zehen dieser Eidechsen, würde die Körpergröße eines durchschnittlichen amerikanischen Mannes innerhalb von 20 Generationen von heute etwa 1,90 m auf etwa 1,90 m ansteigen.“
2. Die Garnele, die ihre Augen verloren hat
Im Prozess der evolutionären Veränderung nutzt man sie entweder oder man verliert sie – und das trifft mit Sicherheit auf eine Gruppe von höhlenbewohnenden Krustentieren zu. Diese Krebse und Garnelen leben unter der Erde, wo es kein Licht gibt und der Sehsinn nicht viel nützt. Infolgedessen sind sie blind geworden und verlassen sich auf Geruch und Tastsinn, um sich in den höhlenartigen Tiefen zurechtzufinden. Als die Forscher die Gehirne dieser Höhlenforscher mit denen ihrer an Land lebenden Verwandten verglichen, stellten sie fest, dass diese Kreaturen nicht nur blind sind, sondern auch die Teile ihres Gehirns verlieren, die für das Sehen zuständig sind. Gleichzeitig werden die Bereiche, die den Tastsinn und den Geruchssinn steuern, größer. „Das ist ein schönes Beispiel dafür, wie die Lebensbedingungen die Neuroanatomie verändern“, sagte der Hauptautor der Studie, Dr. Martin Stegner von der Universität Rostock in Deutschland, gegenüber der BBC. Es hat etwa 200 Millionen Jahre gedauert, bis die Veränderungen im Gehirn auftraten, was vielleicht nicht „schnell“ erscheint, aber wie Rachel Feltman von der Washington Post sagt, ist es „eine relativ kurze Zeit, im evolutionären Schema der Dinge“.
3. Die Eulen, die ihre Farbe ändern
Der Klimawandel zwingt viele Tiere, sich anzupassen, um zu überleben. Der Waldkauz in Finnland ist ein gutes Beispiel dafür. Diese Tiere gibt es in zwei Farben, braun oder hellgrau. Die kalten, weißen Winter haben traditionell die grauen Eulen begünstigt, die sich vor Raubtieren verstecken können, indem sie sich in ein verschneites Farbschema einfügen. Da die Winter in den letzten 50 Jahren jedoch immer milder wurden, stellten die Forscher eine Veränderung fest: Die grauen Eulen sind auf dem Rückzug und die braunen Vögel, die sich besser in die kahlen braunen Äste des Waldes einfügen, gedeihen. Je mehr braune Eulen überleben, desto mehr braune Gene werden über Generationen weitergegeben. Bis jetzt, so die Forscher, „wurde eine evolutionäre Reaktion auf einen quantifizierten Selektionsdruck durch den Klimawandel in einer Wildpopulation noch nicht empirisch nachgewiesen.“
4. Der Fisch, der früher wandert
Der Klimawandel ist auch die treibende Kraft hinter einer jüngsten Verhaltensänderung beim rosa Lachs. Da die Wassertemperaturen steigen, wandern die Fische etwa zwei Wochen früher als noch vor 40 Jahren vom Meer in den Fluss, um zu laichen. Dabei handelt es sich nicht nur um ein neues Verhalten, sondern auch um eine Veränderung auf genetischer Ebene. Laut Ryan Kovach, einem Populationsökologen an der University of Alaska in Fairbanks, ist die Zahl der spät abwandernden Lachse zwischen den 1980er Jahren und 2011 um 20 Prozent zurückgegangen. Die Veränderung vollzog sich innerhalb von nur ein oder zwei Generationen, was darauf hindeutet, dass sich Organismen sehr schnell an den Klimawandel anpassen können. „Wir zeigen, dass es eine genetische Verschiebung hin zu einem früheren Migrationszeitpunkt gegeben hat, und zwar offenbar durch natürliche Selektion gegen die spät migrierenden Individuen in der Population“, sagt Kovach.
5. Die superstarken Bettwanzen
Unglücklicherweise hat unser langjähriger Kampf gegen diese bettenhüpfenden Schädlinge nach hinten losgegangen und Bettwanzen mit dickeren Panzern und Nervenzellen aus Stahl hervorgebracht, die den scharfen Chemikalien widerstehen, die wir auf sie abfeuern. Nach Angaben von Forschern der University of Massachusetts in Amherst sind die Bettwanzen in New York City inzwischen 250 Mal resistenter gegen Pestizide als die Bettwanzen in Florida. „Insektenresistenz ist nichts anderes als eine beschleunigte Evolution“, sagt der Insektentoxikologe John Clark.
6. Die Maus, die gegen Gift immun ist
Schlechte Nachrichten für alle, die Angst vor Mäusen haben: Forscher haben eine Hausmaus entdeckt, die immun gegen Warfarin ist, eine Art Gift, das normalerweise zur Bekämpfung von Schädlingen eingesetzt wird. Die Supermäuse wurden in Deutschland entdeckt, wo die einfache Hausmaus mit ihrer giftresistenten entfernten Cousine, der algerischen Maus, gekreuzt wurde. Das Ergebnis? Eine Hybridmaus mit einer sehr nützlichen genetischen Mutation, die ihr einen Vorsprung gegenüber ihren Nagetierverwandten verschafft. Normalerweise können sich hybride Tiere nicht fortpflanzen, aber „manchmal gibt es einen seltsamen Hybriden, der genau die richtige neuartige Kombination von Genomen zweier Arten aufweist, die ihn zumindest vorübergehend der reinen Art überlegen macht“, sagt der Hauptautor der Studie, Michael Kohn. „Wir haben die Evolution auf frischer Tat ertappt.“
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