Frage der Übersichtsarbeit
Wie wirksam und sicher ist eine zellbasierte Therapie bei Menschen mit ALS/MND, wenn man sie mit einer inaktiven Behandlung oder keiner Behandlung vergleicht?
Hintergrund
Amyotrophe Lateralsklerose (ALS; auch bekannt als Motoneuronenkrankheit oder MND) ist eine Erkrankung, bei der die Nerven im Gehirn und im Rückenmark, die Bewegungen steuern (Motoneuronen), nicht mehr funktionieren. Menschen mit ALS/MND haben Schwierigkeiten beim Bewegen, Schlucken, Kauen und Sprechen, die sich mit der Zeit verschlimmern. Die Hälfte der Menschen mit ALS/MND stirbt innerhalb von drei Jahren nach Auftreten der ersten Symptome. Eine Schwächung der Atemmuskulatur führt häufig zum Tod. Die Krankheit ist derzeit nicht heilbar. Die derzeitigen Behandlungsansätze konzentrieren sich weitgehend auf die Linderung der Symptome, um die Lebensqualität der Betroffenen zu verbessern.
Die zellbasierte Therapie kann als Injektion von zellulärem Material in eine Person zur Behandlung einer Krankheit definiert werden. Bei ALS/MND wurden verschiedene Arten von zellbasierten Therapien erprobt, darunter die Stammzelltherapie. Die Stammzellentherapie zielt darauf ab, neue Motoneuronen zu bilden, die dazu beitragen können, das Fortschreiten der Krankheit bei Menschen mit ALS/MND zu stoppen oder zu verlangsamen. Frühere Übersichten befürworteten den Einsatz der zellbasierten Therapie als potenzielles Mittel zur Verzögerung des Krankheitsverlaufs bei ALS/MND, doch basierten diese hauptsächlich auf präklinischen Tiermodellen. Randomisierte kontrollierte Studien (RCTs) liefern die zuverlässigsten Beweise. Bei RCTs erhält eine Gruppe die Testbehandlung, während die andere Gruppe, die Kontrollgruppe, eine alternative Behandlung, eine Scheinbehandlung (Placebo) oder keine Behandlung erhält. Gut durchgeführte RCTs liefern die besten Beweise. Studien ohne unbehandelte Vergleichsgruppe und kleine klinische Studien haben keinen klinischen Nutzen ergeben. Begrenzte Daten aus Nicht-RCTs mit einer kleinen Anzahl von ALS/MND-Patienten und einer kurzen Nachbeobachtungszeit deuten darauf hin, dass eine zellbasierte Therapie das Fortschreiten der Krankheit verlangsamen kann. Derzeit gibt es keine zugelassene zellbasierte Therapie für ALS/MND. Wir haben diese Überprüfung vorgenommen, um die jetzt verfügbaren RCT-Beweise zu bewerten.
Studienmerkmale
Die Autoren der Cochrane-Überprüfung durchsuchten medizinische Datenbanken nach klinischen Studien. Sie fanden zwei abgeschlossene RCTs, die die Auswirkungen der zellbasierten Therapie über einen Nachbeobachtungszeitraum von sechs Monaten untersuchten. Eine Studie war nicht vollständig veröffentlicht und enthielt keine numerischen Daten. Beide Studien wurden von Stammzellunternehmen finanziert. Eine Studie, an der 64 Menschen mit ALS/MND teilnahmen, lieferte Daten. Bei den Studienteilnehmern traten die Symptome im Durchschnitt erst vor etwa zwei Jahren auf. Sie hatten zu Beginn der Studie leichte bis mittelschwere Probleme mit der motorischen Funktion (Fähigkeit, körperliche Aufgaben auszuführen) (mit einem Durchschnittswert von 35 auf der ALS Functional Rating Scale-revised, auf der ein Wert von 0 die stärkste Beeinträchtigung und ein Wert von 48 eine normale Funktion anzeigt).
Schlüsselergebnisse und Qualität der Nachweise
Die Studie lieferte Nachweise von geringer Qualität dafür, dass Stammzellen, die aus dem eigenen Knochenmark (den Zellen in der Mitte des Knochens) gewonnen wurden, nicht zu signifikanten Nebenwirkungen führten. Das Verfahren der Zellimplantation wurde gut vertragen. Nach den Erkenntnissen dieser Studie kann die Behandlung mit Stammzellen die Verschlechterung der motorischen Funktionen nach sechs Monaten geringfügig verringern, jedoch nicht die Atmung oder die Lebensqualität nach vier Monaten oder das Gesamtüberleben nach sechs Monaten verbessern. Auf der Grundlage der sehr begrenzten verfügbaren Nachweise ist ein Nutzen ungewiss, da es nur eine schlecht durchgeführte Studie gibt und die Ergebnisse innerhalb der Studie variieren. Wir brauchen dringend große, gut konzipierte klinische Studien, um festzustellen, ob zellbasierte Therapien bei ALS/MND einen eindeutigen klinischen Nutzen haben. Wichtige Ziele der künftigen Forschung sind die Ermittlung der richtigen Art und Menge der zu verwendenden Zellen und die Frage, wie sie am besten verabreicht werden können.
Die Erkenntnisse sind auf dem Stand von Juli 2019.