Der Soldat an der Westfront – Der Gebrauch von Dum-Dum-Geschossen

Der Soldat an der Westfront – Der Gebrauch von Dum-Dum-Geschossen

„Von außen sieht jedes Geschoss aus wie eines von uns. Das ändert sich, sobald die Spitze gebrochen ist. Zu diesem Zweck sind die englischen Gewehre mit einer besonderen Vorrichtung versehen, die es ihnen ermöglicht, normale Geschosse in einem Augenblick in Dum-Dum-Geschosse zu verwandeln, und es gibt keine Möglichkeit, diese böse Tat zu beweisen.“ (Quelle 1: Kriegstagebuch von Ernst Pauleit)

Der Soldat Ernst Pauleit berichtet nicht nur über den angeblich täglichen Gebrauch von Dum Dum Bullets durch die Engländer, sondern auch über die mögliche schnelle Herstellung dieser Munitionsart (Quelle 1). Der umgangssprachliche Begriff „Dum Dum Bullet“ – obwohl im Ersten Weltkrieg üblich – bezeichnete ursprünglich Gewehrmunition mit einem oben offenen Bleikern (Weichspitzgeschoss) oder einem verdeckten, aber zylindrisch aufgebohrten Geschoss (Hohlspitzgeschoss). Die Munition wurde nach der indischen Stadt Dum Dum in der Nähe von Kolkata benannt. Die dortige Munitionsfabrik stellte Ende des 19. Jahrhunderts Hohlspitzgeschosse für die britische Armee her. Die Briten verwendeten diese industriell gefertigten Geschosse sowie handwerklich hergestellte Geschosse, deren Spitzen abgefeilt worden waren, im späteren Verlauf des sudanesischen Mahdistenkrieges wie in Indien.


Postkarte: Die berüchtigten Dum-Dum-Geschosse (wahrscheinlich 1915)
Dum-Dum-Geschosse wurden bereits in den ersten Haager Konventionen von 1899 verboten, weil sie sich im menschlichen Körper ausdehnen oder abflachen konnten. Ihre Verwendung war Gegenstand des § 23 der Haager Konvention von 1907 (Quelle 2). Bereits in den ersten Wochen des Krieges beschuldigten sich die jeweiligen Kriegsparteien gegenseitig, diese völkerrechtlich verbotene Munition zu verwenden. Diese propagandistischen Anschuldigungen und feindlichen Behauptungen lassen sich für die deutsche Seite mit einem breiten Spektrum an Quellen belegen – diese reichen von Büchern und Zeitungsartikeln über Postkarten bis hin zu Kriegserinnerungen und Tagebüchern einzelner Soldaten. Die Postkarte „Gruss aus Deutschland“, die in vielen Varianten produziert wurde, sah in der Bombardierung mit 42cm-Granaten die richtige Antwort auf den angeblichen Einsatz von Dum Dum-Geschossen (Quelle 3). Die „Frankfurter Zeitung“ versicherte, dass Deutschland eine „menschliche Kriegsführung“ praktiziere, nur um gleich darauf den massiven Einsatz von Dum Dum-Geschossen durch Frankreich und England im November 1914 anzuprangern (Quelle 4). Kaiser Wilhelm II. erwähnte das Thema in einem Telegramm an Woodrow Wilson, den Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika (Quelle 5). Der Einsatz verschiedener Arten von Deformationsgeschossen während des Ersten Weltkriegs kann aufgrund der schweren Schusswunden und der erhaltenen Geschossreste nicht geleugnet werden. Andererseits ist heute anerkannt, dass in keiner der kriegführenden Nationen die Dum-Dum-Geschosse systematisch auf Befehl eingesetzt wurden. Es war vielmehr die Initiative der kämpfenden Soldaten selbst: Obwohl die verschiedenen Typen der verteilten Munition bereits eine hohe Präzision und ein ausreichendes Tötungsvermögen aufwiesen (Quelle 6), wurde die verteilte Munition dennoch manipuliert, um dem Feind noch mehr zu schaden. Diese Manipulation war – wie bereits erwähnt – vergleichsweise schnell und einfach, die Spitze des Geschosses musste nur abgefeilt oder eingekerbt werden, um ein normales Projektil in ein Dum Dum zu verwandeln.

Hagen Schönrich, Dresden 2015

Literaturverzeichnis

  • Gerhard P. Gross: Dumdumgeschosse, in: Gerhard Hirschfeld, Gerd Krumreich, Irina Renz (Hg.): Enzyklopädie Erster Weltkrieg, erneut aktualisiert und erw. Studienausg., 2. Aufl. Paderborn 2014, S. 450.
  • Edward M. Spiers: Der Einsatz des Dum-Dum-Geschosses in der kolonialen Kriegsführung, in: The Journal of Imperial and Commonwealth History 4 (1975), 1, S. 3-14.
  • Jakob Zenzmaier: Verbotene Kriegsmittel: Dumdum-Geschosse und Giftgaseinsatz, in: Online-Ausstellung „Erster Weltkrieg und das Ende der Habsburgermonarchie“, http://ww1.habsburger.net/de/kapitel/verbotene-kriegsmittel-dumdum-geschosse-und-giftgaseinsatz (Stand: 19.05.2015).

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