Hip-Hop-Nation: So nannte die Village Voice Amerikas B-Boys und B-Girls in einer berühmt gewordenen Titelgeschichte vom Januar 1988. Im April desselben Jahres erschien It Takes a Nation of Millions to Hold Us Back von Public Enemy, das schließlich die jährliche Pazz & Jop-Kritikerumfrage zum besten Album gewann. Im August gab es Yo! MTV Raps und „Straight Outta Compton“ von NWA. Es hatte schon andere Jahre mit herausragender Rap-Musik vor 1988 gegeben, aber nie mit einer ähnlichen Mischung aus Kritikerlob und Plattenverkäufen. Mehr als ein Dutzend Alben erreichten Gold- oder Platinstatus, während eine Handvoll Singles den Sprung in die Pop-Charts schafften, wie „Going Back to Cali“ von LL Cool J und „Parents Just Don’t Understand“ von DJ Jazzy Jeff & the Fresh Prince. Klassische Debüts wie „Strictly Business“ von EPMD, „Straight Out the Jungle“ von Jungle Brothers und „The Great Adventures of Slick Rick“ von Slick Rick erweiterten die Form klanglich. EPMD schuf eine Schablone aus Funk-Samples und wummernden Auto-Stereo-Bässen. Jungle Brothers führten eine spielerische afrozentrische Sensibilität ein und trugen Medaillons – gestrickte Halsketten, die oft Symbole des schwarzen Stolzes wie Afrika oder die Farben Rot, Schwarz und Grün zeigten – um der Vorliebe der Rapper für Goldketten entgegenzuwirken. Slick Rick war ein perfekter Songwriter, ob er nun in „Children’s Story“ eine düstere Fabel über den Sturz eines überfallenen Kindes ausbreitete oder in „Hey Young World“ die Lebensentscheidungen eines Jungen in Frage stellte.
Zwischenzeitlich beherbergten zahlreiche Stadtgebiete florierende Hip-Hop-Szenen, von bekannten Orten wie New York und Los Angeles bis hin zu Philadelphia (Heimat von Three Times Dope und der Tuff Crew) und der Bay Area (Too $hort und MC Hammer). Miami hatte seinen eigenen seltsamen Ruf als das Land des Basses entwickelt. Großbritannien war das erste europäische Land, das herausragende einheimische Talente wie Hijack und seine Debütsingle „Style Wars“ hervorbrachte. Der sich vervielfältigende Rap-Stil dehnte sich auf die von JBs inspirierten funky Drumloops von Biz Markies „Vapors“, den Hip-House von Jungle Brothers‘ „I’ll House You“, den Go-Go-Funk von Salt-n-Pepas „Shake Your Thing“ und den New Jack Swing von Kid ‚N Play’s „Gittin‘ Funky“ aus. Auch die lyrische Kost wurde erweitert, von De La Souls frühreifem, surrealistischem „Plug Tunin'“ bis zu Digital Undergrounds P-Funk-inspirierter Fantasie „Underwater Rimes“.
Doch das Versprechen der Hip-Hop-Generation als erwachende gesellschaftspolitische Kraft stand im Vordergrund. Mit „Colors“, dem Titelsong des gleichnamigen Exploitation-Films, wandte sich Ice-T gegen die zunehmende Gewalt der Crips-and-Bloods-Gangs in Los Angeles. NWA kämpfte mit „F*ck tha Police“ gegen Polizeibrutalität. Und It Takes a Nation of Millions nutzte diese Energie für eine Vision des gerechten Dissenses, sei es im Kampf gegen Kritiker (darunter ironischerweise auch The Village Voice-Autor John Leland) in „Don’t Believe the Hype“ oder in der Vorstellung eines inhaftierten Kriegsdienstverweigerers, der in „Black Steel in the Hour of Chaos“ einen Gefängnisaufstand anführt. Wenn die Leute an das denken, was heute als das goldene Zeitalter des Hip-Hop bezeichnet wird, dann ist es dieses Bild: eine Nation von freimütigen Rappern, die bereit sind, die Welt um sie herum zu verändern. Zu schwarz, zu stark. Ob der Hip-Hop dieses Versprechen in den Jahrzehnten zwischen damals und heute erfüllt oder gebrochen hat, ist eine andere Geschichte.