Fallbericht
Eine 58-jährige Frau stellte sich mit einer 4-monatigen Vorgeschichte fortschreitender Schwäche in den Schultern und Oberschenkeln vor. Zu diesem Zeitpunkt berichtete sie, dass sie nicht mehr in der Lage war, Treppen zu steigen oder schwere Gegenstände zu heben. Sie musste ihre Beine anheben, um aus dem Auto auszusteigen. Die Patientin konnte noch Gläser öffnen und Utensilien benutzen. Sie verneinte Fieber, Schüttelfrost, Gewichtsverlust, Anorexie, Gelenkschmerzen, Dysphagie, Raynaud-Phänomen, Hautausschlag und Wärme- oder Kälteunverträglichkeit.
Die Anamnese der Patientin wies eine Hyperlipidämie auf, die zunächst über ein Jahr lang mit Atorvastatin 40 mg täglich behandelt wurde. Aufgrund von Muskelschmerzen wurde es durch Simvastatin 20 mg täglich ersetzt. Sie nahm Simvastatin 8 Monate lang ein, bis sie es wegen erneut auftretender Muskelschmerzen und Schwäche absetzte. In ihrer Anamnese fanden sich auch Diabetes mellitus Typ 2, Bluthochdruck und Schilddrüsenüberfunktion. Letztere wurde vor über 30 Jahren mit einer radioaktiven Ablation behandelt. Bei der Vorstellung nahm sie Alprazolam, Aspirin, Glipizid, Metformin, Hydrochlorothiazid, Lisinopril und Levothyroxin ein. Sie rauchte seit 43 Jahren, verneinte aber Alkohol- oder Drogenkonsum. Die Patientin hatte keine familiäre Vorgeschichte von Autoimmun- oder neuromuskulären Erkrankungen.
Bei der körperlichen Untersuchung wies sie eine symmetrische Muskelschwäche mit einem Wert von 2 von 5 an den Hüften und 4 von 5 an den Schultern auf. Sie war nicht in der Lage, ohne Unterstützung zu sitzen oder zu stehen. Die Muskelkraft von Nacken, Ellbogen, Handgelenken, Händen, Knien und Knöcheln war normal. Die tiefen Sehnenreflexe waren intakt und ohne sensorischen Verlust. Es gab keine Muskelatrophie oder Faszikulation. Sie hatte keinen Hautausschlag oder aktive Arthritis.
Laboruntersuchungen zeigten eine signifikant erhöhte Kreatinphosphokinase (CPK) von 7.562 Einheiten/L (normaler Bereich 26-192 Einheiten/L) mit normalem Schilddrüsen-stimulierendem Hormon von 1,9 µIU/mL (normaler Bereich 0,5-5,0 µIU/mL) und einer Erythrozytensedimentationsrate von 19 (normal<20). Die Elektromyographie wurde an der rechten oberen und unteren Extremität durchgeführt und zeigte myopathische Veränderungen im Deltamuskel, den Hüftbeugern und -streckern.
Der Patient unterzog sich anschließend einer Biopsie des linken Quadrizeps. Die Pathologie zeigte eine abnorme Variation der Myofasergröße (Abb. 1a) mit einem Muster aus degenerierenden und regenerierenden Fasern (Abb. 1b). Es gab keine umrandeten Vakuolen oder entzündliche Infiltrate. Die immunhistochemische Färbung zeigte eine Reaktivität für den Haupthistokompatibilitätskomplex 1 (MHC-1) in 3-5 % der Myofasern. Der Membranangriffskomplex (C5b-9) war in endomysialen Kapillaren in einem gesprenkelten Muster positiv (Abb. 1c). Das Gesamtbild einer ausgeprägten Nekrose der Myofasern ohne entzündliches Infiltrat sprach stark für eine nekrotisierende Autoimmunmyopathie. Die Tests auf Autoantikörper waren negativ, einschließlich antinukleärer Antikörper, Rheumafaktor, Anti-Ro/SSA, Anti-La/SSB und Anti-Jo-1. Das Myositis-Panel war negativ für PL-7 Ab, PL-12Ab, EJ Ab, OJ Ab, SRP Ab, Mi-2 Ab und Ku Ab. Der Patient war auch seronegativ für Hepatitis-A-, -B- und -C-Infektionen. Eine Computertomographie des Brustkorbs, des Abdomens und des Beckens ergab keinen Hinweis auf eine bösartige Erkrankung. Die klinische Diagnose einer Statin-assoziierten nekrotisierenden Myopathie wurde gestellt, da die Patientin in der Vorgeschichte Statine eingenommen hatte und es keine Anzeichen für eine Bindegewebserkrankung, eine aktive Virusinfektion oder ein Malignom gab.
Muskelbiopsie des linken Quadrizeps. (a) Nachweis einer Muskelfaseratrophie mit abnormaler Variation der Myofasergröße. Man beachte das Fehlen von Entzündungsinfiltraten. (b) Regenerierende Muskelfasern (Pfeil). (c) Positive Färbung des Membranangriffskomplexes (Pfeil) in den endomysialen Kapillaren.
Die Patientin erhielt Prednison in einer Dosierung von 60 mg täglich, die innerhalb von 4 Monaten auf 10 mg reduziert wurde. Außerdem erhielt sie Methotrexat in einer Dosierung von bis zu 25 mg wöchentlich. Die Schwäche der Patientin war jedoch therapierefraktär mit einem CPK-Wert von 3.553 U/L nach 4 Monaten. Die immunsuppressive Therapie wurde auf Azathioprin 100 mg täglich und anschließend auf Mycophenolatmofetil bis zu 3.000 mg erhöht, ebenfalls ohne signifikante Verbesserung nach 8 Monaten. Schließlich erhielt die Patientin Rituximab 1.000 mg in zwei Dosen, was zu einer dramatischen Verbesserung ihrer Muskelkraft, ihres Funktionsstatus und ihrer CPK-Werte führte. Letzterer sank innerhalb von 2 Monaten nach der Rituximab-Therapie auf einen Wert von 751 Einheiten/L. Nach der Rituximab-Therapie war die Kraft der oberen Gliedmaßen der Patientin bereits nach einem Monat wieder auf dem Ausgangswert, und nach drei Monaten konnte sie wieder Treppen steigen. Sie hielt ihre Remission mit Prednison 10 mg und Mycophenolatmofetil 3.000 mg aufrecht.